Frau über Bord! Das generische Femininum als Alternative zum Gendern

Frau in Boot
Foto: Boxed Water is Better, Unsplash

Wenn Sie diesen Blogbeitrag lesen, gehe ich davon aus, dass Sie sich zumindest ansatzweise für das Thema geschlechtergerechte Sprache interessieren. Oder doch nicht? Dann wird es jetzt erst recht spannend! Denn dieser Beitrag plädiert für eine einfache Sprache. Nix mit kompliziert, Genderstern und Doppelformen, einfach und verständlich für alle solls sein.

Als generisches Femininum wird im Deutschen die Methode bezeichnet, bei der grammatikalisch weibliche Personen- oder Berufsbezeichnungen in einem verallgemeindernden Sinn verwendet werden. Die männlichen Vertreter sind mitgemeint. Auf einer Berufsmesse der Autoindustrie würde dann die Zeitung beispielsweise titeln: «50 Mechanikerinnen zeigen ihr Können». Das generische Femininum funktioniert also genau gleich wie das generische Maskulinum, das seit Jahrhunderten in Gebrauch ist, einfach umgekehrt. 

Was dafür spricht

Dafür spricht so einiges. Da wäre einmal die Tatsache, dass in einer weiblichen Berufsbezeichnung die männliche immer auch enthalten ist. Weil weibliche Bezeichnungen meist eine Ableitung der männlichen sind. Also quasi die männliche Form plus Anhängsel. In der Lehrerin ist der Lehrer schon enthalten, ebenso in der Maurerin. Bei der Ärztin ist es einfach, sich aus dem Umlaut ein normales A zu denken. Und die Krankenschwester wurde inzwischen sowieso umbenannt in Pflegerin. Also haben wir ab jetzt ganz einfach nur noch Lehrerinnenzimmer und machen eine Maurerinnenlehre.

«Ich bezeichne das generische Femininum schon seit 30 Jahren als Empathietraining für Männer, damit sie mal eine Vorstellung davon entwickeln, was es eigentlich bedeutet, immer nur mitgemeint zu sein…»

Luise F. Pusch, Sprachwissenschaftlerin und Mitbegründerin der feministischen Linguistik

Ein weiteres Argument für den generischen Gebrauch der weiblichen Form ist, dass sie kurz, bündig und grammatikalisch einfach anzuwenden ist. Diese Vorteile hat sich beispielsweise die Universität Leipzig zunutze gemacht, als sie 2013 ihre Grundordnung neu schrieb. Die Ratsmitglieder befanden alle geschlechtergerechten Varianten als zu umständlich und beschlossen deshalb, ganz klassisch zur Fussnote zurückzukommen. Aus Fairnessgründen aber umgekehrt – „Bei der weiblichen Variante ist die männliche mitgemeint.“

Ein weiteres Argument für das generische Femininum ist die Tatsache, dass seit Jahrhunderten das generische Maskulinum gebraucht wird. Da wäre es jetzt doch nur fair, wenn sich nach dem Rotationsprinzip die nächsten paar Jahrhunderte die Männer mitgemeint fühlen sollen. 1994 beschloss beispielsweise ein Stadtrat in Niedersachsen, nur noch weibliche Funktionsbezeichnungen zu verwenden. Die Frauenbeauftragte der Stadt kommentierte: «Bislang mussten wir Frauen erleben, dass wir gemeint waren, wenn von Ratsherren die Rede war, jetzt müssen Männer sich gefallen lassen, als Ratsfrauen bezeichnet zu werden.» Das ist nichts als fair. Oder?

Oder doch nicht?

Fair wäre das eigentlich. Es ist wissenschaftlich belegt, dass in unseren Köpfen kaum Frauen entstehen, wenn im generischen Maskulinum gesprochen und geschrieben wird. Und trotzdem wird es seit geraumer Zeit getan. Das ist ungerecht und dagegen muss etwas getan werden. Denn Sprache ist kein isoliertes System, sondern ein Abbild der Wirklichkeit. Wir müssen Sprache fair einsetzen, um einen Schritt in Richtung einer Gesellschaft zu machen, in der alle Geschlechter gleichberechtigt nebeneinanderstehen.

Und genau das ist die Achillesferse Nummer eins des generischen Femininums: Wir wollen keine Umkehrung der (sprachlichen) Machtverhältnisse, sondern ein gleichberechtigtes Mit- und Nebeneinander. 

Nun könnten wir argumentieren, dass seit Beginn des vorletzten Jahrhunderts für dieses gleichberechtigte Miteinander gekämpft wird und sich nur in Babyschritten etwas vorwärtsbewegt. Und dass eine Umkehrung der sprachlichen Machtverhältnisse diesen Kämpfen Vorschub leisten könnte. Ja, dem ist bestimmt so; hundert Punkte für dieses Argument. Und trotzdem: Fairness steht ganz oben, zumindest auf der w.orte- Liste. Was uns zum nächsten Gegenargument führt.

Wir machen es besser

Die zweite Achillesferse des generischen Femininums ist, dass es nicht nur Männer ausblendet, sondern auch alle Menschen, die sich keinem der beiden klassisch geprägten Geschlechter zugehörig fühlen. Dafür brauchen wir andere Sprachmittel wie Genderstern, Doppelpunkt & Co.

Hmm. So einfach ist es eben doch nicht, wenn wir wirklich fair sein wollen. Aber gehört es nicht dazu, auszupobieren, zu argumentieren und zu philosophieren, wenn man Anfang einer Entwicklung steht, eines neuen Bewusstseinsschrittes? Wir befinden uns als Gesellschaft auf einem Weg. Unsere Zeit ist die der Veränderung, des Ausprobieren. Finden wir gemeinsam heraus, was das beste sprachliche Mittel ist, um alle Menschen angemessen einzubinden und anzusprechen. Und wenn wir dabei nur in Babyschritten vorwärtskommen, bleiben wir zumindest nicht stehen. Sind Sie dabei?

P.S. Falls Sie nun enttäuscht sind, dass es doch nicht so einfach ist: Ich habe den Überblick über die sprachlichen Mittel des Genderns und helfe Ihnen gerne weiter. Nur so im Fall der Fälle…