Warum ich den Gender*stern benutze (und nicht den Doppel:punkt)
Alles, was wir tun, hat Auswirkungen. Auf uns, auf die Menschen um uns, auf unsere Umwelt. Nichts zu tun hat dieselbe Wirkung: nicht recyceln, nicht fliegen, nicht nachdenken – alles hat Konsequenzen. Frei nach Rio Reiser: «Du sagst du willst die Welt nicht ändern, und ich frag mich wie machst du das nur? Du bist doch kein Geist in der Flasche und auch kein Loch in der Natur.»
Unsere Sprache bildet die Wirklichkeit nicht objektiv ab, sondern so, wie wir sie empfinden. Wir sprechen und schreiben, wie wir die Welt wahrnehmen. Was ich regelmässig anspreche, das kenne ich, das ist vertraut, das macht keine Angst. Deshalb habe ich mich entschieden, meine Kommunikation gendergerecht zu gestalten. Damit ich sprachlich alle Menschen einschliesse.
Ein Prozess, an dem ich gerne teilnehme
Wenn Sie meinen Blog ab und zu lesen (oder sogar regelmässig? Dann bin ich grad Fan von Ihnen, können wir uns kennenlernen und diskutieren?), wissen Sie, dass ich Abenteuer mag, Neues und Unbekanntes. Nicht, dass mir das nicht schon das eine oder andere Muffensausen eingetragen hätte und Selbstgespräche im Sinn von: «Was soll denn das jetzt schon wieder? Bist du von allen guten Geistern verlassen, Asha?!» Aber Neues auszuprobieren erweitert einfach den Geist und Horizont und dafür nehme ich es gern mit ein paar inneren und äusseren Hürden auf.
Und weil etliche Studien beweisen, dass gendersensible Sprache Kindern, non-binären Menschen und Frauen hilft, habe ich mich gern in dieses Abenteuer «Sprache anpassen» gestürzt.
Gendersensible Sprache ist zwar nicht so neu, wie es in den Schlagzeilen oft dargestellt wird, abgeschlossen ist der Prozess aber noch lange nicht. Seit den 30er-Jahren und der Sapir-Whorf-Hypothese ist klar, dass unsere Sprache unser Denken beeinflusst. Seit den 70er-Jahren werden laufend Vorschläge gemacht, wie man die Menschen, die durch das generische Maskulinum nicht abgebildet werden (also sowohl Frauen als auch non-binäre Menschen – damit sprechen wir von einer Mehrheit) sprachlich einbinden könnte. Mittlerweile gibt es einige Varianten, die im Umlauf sind und ausprobiert werden. Das ist ein grosser Prozess, den wir alle mitgestalten und mitbeeinflussen können.
«Gendersensibel zu kommunizieren ist alles andere als Rocket Science. Alles, was es braucht, ist etwas guter Wille und Übung.»
Wie bei so ziemlich allem. Ausser vielleicht bei Rocket Science. Aber auch da wäre ich nicht so sicher.
Teil sein von Versuchen, Verwerfen, Etablieren
Einige Varianten wurden bereits wieder verworfen: Die Klammerschreibung (Sekretär(innen)) wurde durch den Schrägstrich ersetzt (Sekretär/-innen), weil die Klammer die Frau als Anhängsel des Mannes dann doch etwas zu stark betonte, das Binnen-I (SekretärInnen) wird mittlerweile nur noch sporadisch gebraucht, dafür tauchen Genderstern, Gender-Gap und Gender-Doppelpunkt immer öfters auf, weil sie grammatikalisch die gleichen Konsequenzen mit sich bringen, dafür neben Frauen auch alle anderen Geschlechter einbinden. So gibt es zu jeder Varianten eine Hintergrundgeschichte. (Wenn Sie daran interessiert sind, besuchen Sie gern einen meiner Vorträge, wo ich ausführlich darauf eingehe.)
Mir gefallen der Genderstern und der Gender-Doppelpunkt am besten. Warum das so ist und warum ich mich für den Genderstern entschieden habe, erkläre ich Ihnen gerne in einer Gegenüberstellung.
Das Gendersternchen
Hintergrund/ Entstehung: | Die Strahlen des Sterns stehen symbolisch für alle möglichen unterschiedlichen Geschlechtsidentitäten. Der Stern drückt sprachlich die Gleichstellung nicht nur von Männern und Frauen aus, sondern aller Menschen, unabhängig ihres Geschlechts. Er bildet somit Vielfalt ab. Er soll traditionelle Vorstellungen von Geschlechterrollen aufweichen und zu einer inklusiven Sprache beitragen. Das Gendersternchen wurde zunächst vor allem an Hochschulen verwendet, inzwischen ist es auch in öffentlichen Institutionen und Verwaltungen verbreitet sowie in der schriftlichen Kommunikation vieler Unternehmen und moderner Magazine. |
Beispiele: | Der Asterisk wird zwischen die männliche und die weibliche Endung von Substantiven, bestimmten und unbestimmten Artikeln sowie Pronomen gesetzt. Das sieht dann so aus: – Am Projekt sind dreissig Forscher*innen beteiligt. – In diesem Angebot ist für jede*n etwas dabei. – Der*die Lehrer*in schreibt das Resultat an die Wandtafel. |
Vorteile: | – leicht verständlich – kurz und bündig – inklusiv – von der LGBTQI-Community benutzt |
Nachteile: | – nicht rechtschreibkonform (wie alle Lückenformen) – kann grammatikalisch kompliziert werden |
Der Gender-Doppelpunkt
Hintergrund/ Entstehung: | Der Doppelpunkt wurde 2015 in Abwandlung des Gendersternchen und des Gender Gaps erstmals gebraucht. Die Organisator*innen eines progressiven Festivals in Deutschland benachrichtigten bei einer Ticketlotterie Hunderte von «glücklichen Gewinner:innen». Der Doppelpunkt fügt sich, weil er typografisch eher unauffällig und bekannt ist, sauber ins Schriftbild ein. Es gibt aber auch Kritik am Gendern mit Doppelpunkt, auch innerhalb der nichtbinären Community. Diejenigen, die ihn kritisieren, empfinden ihn jedenfalls nicht als geschlechterinklusiv. |
Beispiele: | Wie der Asterisk wird auch der Doppelpunkt zwischen die männliche und die weibliche Endung von Substantiven, bestimmten und unbestimmten Artikeln sowie Pronomen gesetzt. Das sieht dann so aus: – Am Projekt sind dreissig Forscher:innen beteiligt. – In diesem Angebot ist für jede:n etwas dabei. – Der:die Lehrer:in schreibt das Resultat an die Wandtafel. |
Vorteile: | – leicht verständlich – kurz und bündig – auf der Tastatur leicht produzierbar – fügt sich unauffällig ins Schriftbild ein – (inklusiv) |
Nachteile: | – nicht rechtschreibkonform (wie alle Lückenformen) – kann grammatikalisch kompliziert werden – wird zum Teil von Menschen, die er eigentlich abbilden sollte, kritisiert und bewusst nicht benutzt. |
Mein Fazit: Wenn ich meine Sprache schon anpasse, dann möchte ich, dass so viele Menschen wie möglich davon profitieren. Da sich die non-binäre Community teilweise vom Doppelpunkt nicht angesprochen fühlt, verwende ich lieber den Stern, der definitiv aus der queeren Community entstanden ist und bei dem bereits Einigkeit darüber herrscht, dass er alle Geschlechter einschliesst.
Warum Sie nicht auf mich hören sollen
Jetzt kommt noch mein Aber: Wenn Sie sich überlegen, geschlechtergerechter zu kommunizieren und der Doppelpunkt die einzige Form ist, mit der Sie sich das vorstellen könnten, dann nehmen Sie den Doppelpunkt! Um Himmels Willen, tun Sie es! Ich bin der Meinung, dass etwas tun immer besser ist als nichts tun und Teil eines Wandels zu sein immer besser ist als stehenzubleiben. Und stehen bleiben wollen wir ja nicht. Es ist gut möglich, dass der Gender-Doppelpunkt irgendwann den Stern überholt. Weil Sie mitgemacht haben. Ich beobachte die Entwicklung gespannt.
Und wenn Sie Hilfe brauchen, Beratung oder einfach einen Tipp: Sie wissen, dass ich per Mail, Instagram, LinkedIn erreichbar bin. Ich unterstütze Sie gerne.
Herzlich, Asha Ospelt-Riederer
P.S. Die Welt der gendersensiblen Kommunikation ist so bunt wie ein Herbstwald und Sie können sich rauspflücken, was Ihnen gefällt. Ausser dem Genderstern und dem Gender-Doppelpunkt wären da noch:
- Das Binnen-I (die SchriftstellerInnen)
- Die Doppelnennung (die Schriftstellerinnen und Schriftststeller)
- Der Schrägstrich (die Schriftsteller/-innen)
- Das Ausrufezeichen (die Schriftsteller!innen)
- Das Trema (die Schriftstellerïnnen)
- Der Circumflex (die Schriftstellerînnen)
- Die Eins (die Schriftststeller1nnen)
- Das Fragezeichen (die Schriftsteller?nnen)
- Neutrale Formen wie Partizipien (Schreibende)
- Das generische Feminimum (die Schriftstellerinnen)
Was gefällt Ihnen am besten?
P.P.S. Ein Hoch noch auf die ZHAW. Sie hat im Juli diesen Jahres einen neuen Leitfaden für inklusive Sprachgebrauch herausgegeben, der hohe Wellen schlägt. Der Leitfaden ist vorbildlich. Ich habe dazu kürzlich ein Interview im Landboten Winterthur gegeben.