Wie geschlechtersensibel sind Sie? Ein Selbsttest.

Frau mit Buch über dem Kopf
Foto: Unsplash, Sierra Photography

Für diesen Schnelltest braucht es kein Blut, es geht aber auch um Tampons. Mit nur fünf Fragen finden Sie heraus, wie geschlechtersensibel Sie schon unterwegs sind. Und lernen erst noch etwas, das Sie bei der nächsten Stehparty in die Runde werfen können.

Bevor es zur Sache geht ein sanfter Einstieg: Ist Ihnen bewusst, dass die Bilder in unseren Köpfen auch von der Art, wie wir sprechen, abhängen? Das gilt insbesondere für die Rollen, die wir Frauen und Männern und anderen Geschlechtern in unserem Alltag zuschreiben.

Ist Ihnen bewusst, wie viel Positives Sie folglich bewegen können mit Ihrer Art zu sprechen und zu schreiben?

Wir beginnen mit dem Klassiker: Ein Vater ist mit seinem Sohn im Auto unterwegs. Sie werden in einen schweren Autounfall verwickelt. Der Vater stirbt auf der Unfallstelle. Der Sohn wird direkt in den Notfall-Operationssaal des nächsten Krankenhauses gefahren, wo das Chirurgenteam schon wartet. Als sie sich jedoch über den Jungen beugen, sagt jemand der diensthabenden Chirurgen mit erschrockener Stimme: »Ich kann nicht operieren – das ist mein Sohn.«

Der Klassiker

Legt man dieses Rätsel Studierenden vor, wenden die häufig spontan ein: »Aber der Vater ist doch tot. Wieso steht der jetzt plötzlich als Chirurg im OP? Ist der andere gar nicht sein leiblicher Vater? Oder handelt es sich um ein homosexuelles Paar?« 

Erst im zweiten Denkschritt ist klar, dass eine Chirurgin im Team sein könnte, die Mutter des Jungen. Wenn Sie das von Anfang an gecheckt haben: Respekt, 100 Punkte. 

Wenn nicht: Kein Wunder. Trotzdem 0 Punkte. Wenn nur die männliche Form (die diensthabenden Chirurgen) einer Berufsbezeichnung genannt wird, entstehen auch nur männliche Bilder im Kopf. Da können Sie nichts dafür. Aber Sie können einiges dagegen tun: mit gendern zu Beispiel!

«Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.»

Ludwig Wittgenstein, deutscher Philosoph, 1889-1951

Stufe Intermediate

Was meinen Sie zu folgenden Fragen:

Gender ist… 

  • eine Quote 
  • ein sprachliches Stilmittel 
  • das soziale Geschlecht

Wie warb »o.b.« einst im TV für Tampons?

  • »Jeder erlebt seine Tage anders.«
  • »Jede hat mal ihre Tage.«
  • »Weil unsere Tage sich eben unterscheiden.«

Was versteht man unter der kodierten Asymmetrie? 

  • Das ist ein Code mithilfe dessen asymmetrische Gesichtszüge per Computer analysiert werden können.
  • Die männliche Form von Personenbezeichnungen der deutschen Sprache markiert Männer als Norm und Frauen als deren Abweichung mit einem angehängten –in.
  • Damit sind Sätze gemeint, in denen zwar nur männliche Formen genannt werden, Frauen aber mitgemeint sind.

Die Intermediate-Lösungen

Von der »kodierten Asymmetrie« spricht Susanne Günthner, Germanistin und Sprachwissenschaftlerin an der Universität Münster, bei Personenbezeichnungen in der deutschen Sprache: »Die männliche Form markiert ›Männer als Norm‹, die weibliche Form kodiert ›Frauen als Abweichung‹ durch das an die unmarkierte (männliche) Form angehängte ›-in‹.« Das ist nicht in allen Sprachen so: Im Englischen verwendet man für beide Geschlechter denselben Begriff, wie bei »teacher« oder »doctor«.

Antwort b) gibt deshalb 100 Punkte; c) gibt noch nette 10 Punkte und a) nix.

Ein Satz aus dem o.b.-Werbespot lautete: »Jeder erlebt seine Tage anders.« Dagegen gab es zurecht Protest – denn Tampons benutzen nun einmal vor allem weibliche gelesene Personen. Der Satz wurde in die weibliche Form geändert. Obwohl Antwort a) richtig wäre, gibt das keine Punkte, b) und c) geben 100 Punkte, weil faire Sprache.

Und ja, Gender bezeichnet natürlich das soziale Geschlecht eines Menschen. Das biologische Geschlecht (englisch »sex«) bezieht sich auf körperliche Merkmale wie Chromosomensätze, Hormone und Geschlechtsorgane. Das soziale Geschlecht hingegen (englisch »gender«) umfasst das psychische Geschlecht eines Menschen bezogen auf Geschlechtspräsentation oder Geschlechterrollen. Das soziale Geschlecht ist durch die Bewertung verschiedener Merkmale wie Aussehen, Körpersprache und Handlungsweisen, die als »männlich« oder »weiblich« eingestuft werden, stark kulturell definiert. Es gibt zahlreiche Kulturen, die kein bipolares System von Zweigeschlechtlichkeit vertreten, sondern die Existenz mehrerer Geschlechter kennen.

Sie bekommen für Antwort c) 100 Punkte, für a) und b) wieder nix, sorry.

Und jetzt gehts ans Eingemachte.

Stufe Profi

Beobachten Sie einmal einen Tag lang Ihren eigenen Sprachgebrauch:

  • Werfen Sie einen Blick auf Ihren Schriftverkehr, Ihre Mails, Ihre eigene Werbung und Website. 
  • Wie sprechen Sie mit Kolleg*innen im Arbeitsumfeld? 
  • Wie sieht es beim privaten Sprachgebrauch aus, in der Freizeit, im Verein, in der Familie und im Freundeskreis?

Gibt es da mehr als die rein männliche Form?

  • Ja, ich versuche konsequent mehr als ein Geschlecht anzusprechen, z.B. in der Doppelform oder mit neutralen Formulierungen: 1000 Punkte.
  • Jein, ich versuche zu gendern, manchmal vergesse ich es aber auch. 500 Punkte
  • Nein, ich habe bisher nicht gegendert, werde das aber ausprobieren. 500 Punkte.
  • Nein, ich gendere nie, nicht jetzt und auch in Zukunft nicht. 0 Punkte.

Und, wie viele Punkte haben Sie geholt?

0-100 Punkte 110-900 Punkte1000-1400 Punkte
Immerhin haben Sie sich die Mühe gemacht, diesen Test zu absolvieren. Congrats dafür. Und hey, wenn Sie meinen Blogartikel zu Ende gelesen haben, haben Sie auch etwas dazugelernt. Ich stehe Ihnen zur Seite, wenn Sie beratende Starthilfe brauchen für Texte, im Arbeitsleben oder im Alltag: hallo@w-orte.li.
Sie kennen sich aus mit geschlechtersensiblen Themen, herzliche Gratulation! Das einzige, was Ihnen noch fehlt, ist die praktische Umsetzung. Versuchen Sie doch mal den Rest des Tages auf Ihre Formulierungen zu achten. Und wenn Sie mehr Unterstützung, Tipps und Beratung brauchen, melden Sie sich unter hallo@w-orte.li.
Yeahyeahyeah! Sie gehören zur Kategorie Checker*in! Sie wenden gendergerechte Formulierungen sogar im Alltag an und leisten damit einen immensen Beitrag zu einer sprachlich faireren Welt. Ich würde gern mit Ihnen abklatschen. Melden Sie sich doch mal unter hallo@w-orte.li.